Nach Inkrafttreten des 6. Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 16.08.2024 (BGBl. I 2024 Nr. 266) hat sich für die Bewertung von alten und neuen Cannabisfahrten einiges geändert.
Insbesondere wurde im Zuge der zwischenzeitlich am 22.08.2024 in Kraft getretenen Neuregelung ‚Cannabis‘ aus der Anlage zu § 24a StVG gestrichen und mit § 24a Abs. 1a StVG (neue Fassung) für das Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis ein eigener Bußgeldtatbestand geschaffen, wobei der Wirkungsgrenzwert gesetzlich auf 3,5 ng/ml THC oder mehr im Blutserum festgelegt wurde.
Die gesetzliche Regelung lautet nun wie folgt:
(1a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat.
Nach der alten Regelung bis zum 22.08.2024 und der hierzu entwickelten Rechtsprechung galt ein Wirkungsgrenzwert von 1 ng/ml. Dies wohlgemerkt, obwohl es schon seit Jahren Empfehlungen von medizinischen Kommissionen gab, diesen Wert auf 3,5 ng/ml anzuheben und dies dann gem. § 44 KCanG zum 31.03.2024 von der Kommission auch erneut so empfohlen wurde, da darunter keine Ausfallerscheinungen nachweisbar sind. Aufgrund dieser entscheidenden Gesetzesänderung ergeben sich nun Fragen, wie mit Altfällen umzugehen ist.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat nun in seiner Entscheidung vom 10.10.2024 über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen für etwas Klarheit gesorgt:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit Entscheidung vom 09.07.2024 wegen einer als Führer eines Pkws begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 StVG (alte Fassung) zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt, sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Zum Zeitpunkt der Fahrt hatte der Betroffene in seinem Blut Tetrahydrocannabinol (im Folgenden: THC) in einer Konzentration von 2,1 ng/ml und wies laut des polizeilichen Zeugens drogentypische Auffälligkeiten auf. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, da er den damals schon durch die Kommission bekannten neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml berücksichtigt haben wollte.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat hierzu festgestellt, dass das Amtsgericht zum Entscheidungszeitpunkt unter Heranziehung der bis zum 21.08.2024 geltenden Rechtslage zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Betroffene, weil er zur Tatzeit eine Konzentration von 2,1 ng/ml THC im Blutserum hatte, den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2 StVG in der damals geltenden Fassung verwirklicht hat. Dieser Grenzwert lag in Bezug auf den Konsum von Cannabis in st. Rspr. der Oberlandesgerichte bei 1 ng/ml THC im Blutserum. Veranlassung, vor Inkrafttreten der Neuregelung von diesem maßgeblichen sog. analytischen Nachweisgrenzwert für THC bzw. Cannabisprodukte zugunsten einer mit Blick auf § 44 KCanG in Aussicht genommenen Implementierung eines höheren gesetzlichen Wirkungsgrenzwertes im Rahmen des als abstraktes Gefährdungsdelikts ausgestalteten Tatbestandes des § 24a StVG abzuweichen, bestand für das Amtsgericht nicht.
Allerdings hat sich in der Zwischenzeit, wie oben dargelegt, die Rechtslage zugunsten des Betroffenen geändert. Maßgeblich seit dem 22.08.2024 ist gem. § 24a Abs. 1a StVG (neue Fassung) der Wert von 3,5 ng/ml. Dieser Wert wird vorliegend nicht erreicht, so dass das festgestellte Verhalten den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nicht erfüllt.
Da für die Beurteilung des Sachverhalts maßgebend die Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ist, weil das neue Recht für den Betroffenen günstiger ist (§ 4 Abs. 3 OWiG, § 354a StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), war das Urteil des Amtsgerichts dennoch aufzuheben und der Betroffene freizusprechen.
Das Urteil zeigt, dass es auch für Altfälle dringend erforderlich ist, die Anwendung des neuen Grenzwertes zu prüfen und entsprechende Rechtsmittel zu ergreifen.
Hierzu steht Ihnen der Unterzeichner gerne mit Rat und Tat zur verfügung.
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt René Simonides