Mit Urteil vom 15.01.2025 wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Klage eines Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung wegen Krankheit ab.
Der Kläger legte seinem Arbeitgeber zwei Tage vor Urlaubsende eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus Tunesien vor. Der tunesische Arzt attestierte dem Kläger eine dreiwöchige Arbeits- und Reiseunfähigkeit und ordnete häusliche Ruhe an. Der Arbeitnehmer buchte unmittelbar am Folgetag des Arztbesuches in Tunesien ein Fähren-Ticket für die Autofahrt zurück nach Deutschland. In Deutschland angekommen, verweigerte der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung wegen Krankheit, welche der klagende Arbeitnehmer sodann mit (arbeits-) gerichtlicher Hilfe durchzusetzen versuchte.
Während das LAG München dem Kläger mit Urteil vom 16.05.2024, Az. 9 Sa 538/23 die Lohnfortzahlung zusprach, hob das BAG die Entscheidung der Münchner Arbeitsrichter auf verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an diese zurück.
Das BAG stellte zunächst fest, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus dem Nicht-EU-Ausland dem Beweiswert einer deutschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gleichstehe. Das Urteil sei gleichwohl aufzuheben gewesen, da die vorinstanzlichen befassten Arbeitsrichter nicht die erforderliche Gesamtwürdigung, also die Würdigung sämtlicher (Begleit-) Umstände, vorgenommen hätten. So sei im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände zulasten des klagenden Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass dieser bereits am Folgetag seines Arztbesuches in Tunesien ein Rückreiseticket für die Fähre erwarb und er die durchaus beschwerliche Rückreise mit dem Auto noch während der verordneten ärztlichen Ruhezeit angetreten habe. Neben diesen für sich genommenen unverfänglichen Umstand trete hinzu, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber in der jüngeren Vergangenheit bereits dreimal Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Zusammenhang mit Urlaub vorlegte. In einer Gesamtschau – so das BAG – sei damit der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus Tunesien erschüttert, mit der Folge einer Beweislastumkehr.
Infolgedessen ist nunmehr der klagende Arbeitnehmer voll darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass bei ihm eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Das nunmehr erneut befasste LAG München wird somit zu klären haben, ob dem klagenden Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Ausführungen des BAG ein Anspruch auf Lohnfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz zusteht.
Fazit:
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in jüngerer Vergangenheit mehrfach zum Thema des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die insoweit ergangenen Entscheidungen zeigen allesamt auf, dass der einst nahezu unerschütterliche Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durchaus erschütterbar ist und der Arbeitnehmer bei „auffälligen“ Konstellationen zunehmend die Darlegungs- und Beweislast seiner Arbeitsunfähigkeit tragen wird.
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