Der Bundesgerichtshof hat im ersten der zahlreichen zur Revision vorgelegten Fällen über die Anspruchsberechtigung der Unternehmer aus Betriebsschließungsversicherungen infolge Corona-Pandemie bedingten Geschäftsschließungen nunmehr am 26.01.2022 sein Urteil gesprochen und damit sämtliche Hoffnungen der Unternehmer und insbesondere Gastwirte auf Versicherungsleistungen zerschlagen.
Zur Entscheidung stand ein Fall, welcher durch das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein vorgelegt wurde. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung war folgendes vereinbart:
- 2 Versicherte Gefahren
- Versicherungsumfang
Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
(…)
- Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
Krankheiten: (Auflistung ohne Covid-19)
Krankheitserreger: (Auflistung ohne Covid-19)
(…)
Der Bundesgerichtshof hat die Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Leistungen aus der Versicherung zurückgewiesen, mit folgender Begründung:
Der Bundesgerichtshof hat zunächst, entgegen der Argumentation vieler Versicherer und Gerichte, festgestellt, dass es für den Versicherungsfall keiner Verwirklichung einer aus dem Betrieb selbst erwachsenden, sogenannten intrinsischen, Infektionsgefahr bedarf.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass dem Versicherungsnehmer gegen die Versicherung keine Ansprüche zustehen, weil eine Betriebsschließung zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 oder des Krankheitserregers SARS-CoV-2 nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist. Nach den AVBs der Versicherung besteht Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werden. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger ergeben sich aus dem Katalog der Versicherungsbedingungen, der nach dem für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers abschließend ist und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 aufführt.
Diese Sichtweise machte der Bundesgerichtshof
- an dem Klammerzusatz „(siehe Nr. 2)“ hinter den Worten „meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“,
- an der Überschrift „2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger“
- an der anschließenden Formulierung „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind …“
fest. Daran ließe sich der abschließende Charakter der Regelung verstehen.
Die ergänzende Bezugnahme in „im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten“ Krankheiten und Krankheitserreger stufte der Bundesgerichtshof aus Sicht des Versicherungsnehmers als Klarstellung ein.
Weiterhin bekräftigte der Bundesgerichtshof seine Ansicht mit dem erkennbaren Zweck- und Sinnzusammenhang der Klausel, welcher für die Abgeschlossenheit des Katalogs sprechen würde, da der durchschnittliche Versicherungsnehmer zwar einerseits ein Interesse an einem möglichst umfassenden Versicherungsschutz habe, andererseits aber nicht davon ausgehen könne, dass der Versicherer auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen will, die – wie hier COVID-19/SARS-CoV-2 gerade zeigt – u.U. erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten und bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich ist.
Der Bundesgerichtshof hielt die Klausel auch nicht für intransparent oder unangemessen benachteiligend an, insbesondere würde die Klausel auch der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB standhalten, da der klare Wortlaut der Klausel den abschließenden Charakter definieren würde und die Bedingungen nicht der Eindruck vermitteln, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz erfasst sei, dies selbst dann, wenn der Katalog nicht deckungsgleich mit dem Infektionsschutzgesetz wäre.
Diese Entscheidung stellt auf jeden Fall eine Grundsatzentscheidung zu diesem Themenkomplex dar, zumindest was den oben genannten Wortlaut der Bedingungen anbelangt. Wie sich der BGH bei anderen Formulierungen positioniert, zum Beispiel ohne Verwendung der Wörter „im Sinne dieser Zusatzbedingungen“ bleibt abzuwarten. Eine Prüfung ist daher weiterhin lohnenswert.
Für die hier verwendeten Versicherungsbedingungen ist der Drops gelutscht und die Hoffnungen der Unternehmer auf Entschädigung für immer begraben.
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt René Simonides