Diese Frage stellt sich wohl regelmäßig jeder von uns, nämlich immer dann, wenn man sich bei seinem Wochenendeinkauf mitten auf einem riesigen Parkplatz eines Supermarktes oder Baumarktes wiederfindet und von allen Seiten Fahrzeuge herannahen und jedes Fahrzeug die Vorfahrt für sich beansprucht, um als erstes am Mittagstisch zu sein.
Tatsächlich war diese Frage in der Rechtsprechung jahrelang sehr umstritten. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 22.11.2022 für Klarheit gesorgt. Entscheidend ist die Ausgestaltung des Parkplatzes.
Tatort des Unfalls war der Parkplatz eines bekannten Baumarktes. Die durch markierte Parkbuchten gekennzeichneten Parkflächen waren durch sich teilweise kreuzende Fahrspuren erschlossen, welche sich durch ihre Pflasterung nicht von den Parkbuchten abhoben. Beschilderungen zur Vorfahrtsregelung oder Fahrbahnmarkierungen waren nicht vorhanden. Die Situation entsprach somit den meisten Parkplätzen in Deutschland, da die wenigsten irgendwelche klaren Bestimmungen zur Vorfahrt aufweisen.
Auf solchen sich kreuzenden Fahrgassen näherten sich zwei Fahrzeuge zueinander jeweils von links und rechts kommend, wobei die Sicht teilweise durch einen parkenden LkW verstellt war. Im Kreuzungsbereich der beiden Fahrgassen stießen die Fahrzeuge zusammen. Der von rechts kommende Fahrer beanspruchte die „rechts vor links“ Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO für sich.
Der Bundesgerichtshof sah dies anders:
Danach findet die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung (durch Beschilderung oder Markierung auf Fahrbahn) weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den vorhandenen Fahrspuren kein Straßencharakter zukommt.
Grundsätzlich sieht der BGH weiterhin die Anwendbarkeit der Straßenverkehrsordnung (StVO) auch für private Parkplätze als gegeben an, wenn diese – wie bei Marktparkplätzen – für die Allgemeinheit zugänglich gemacht worden sind.
Für die direkte Anwendbarkeit des § 8 StVO und somit der „rechts vor links“ Regelung bedürfe es nach dem BGH gemäß dem Gesetzeswortlaut einer „Kreuzung“, also zweier sich kreuzenden „Straßen“ im Sinne des § 8 StVO. Diese lägen nur dann vor, wenn die entsprechenden Fahrbahnen dem fließenden Verkehr dienten und dementsprechend baulich auch so ausgestaltet sind, also durch Beschilderung, Markierung auf der Fahrbahn, Hervorhebung durch Bordstein oder fehlende Parkboxen entlang der Fahrbahn.
Eine solche Fahrbahn mit Straßencharakter lag hier nicht vor.
Auch erteilte der BGH einer analogen Anwendung des § 8 StVO über die Generalklausel des § 1 Abs. 2 StVO (Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird) eine Absage, da hierfür zumindest eine entsprechende bauliche Verkehrssituation vorliegen müsste, die den Verkehrsteilnehmer auf die Anwendung der „rechts vor links“ Regelung stoßen müsste.
Als Verkehrsteilnehmer auf einem Marktparkplatz wird man also darauf achten müssen, welche bauliche Beschaffenheit meiner Fahrbahn vorhanden ist. Sieht diese aufgrund entsprechender Ausgestaltung einer Straße ähnlich, gilt „rechts vor links“. Ist dies nicht der Fall, so gilt „rechts vor links“ nicht.
Allseits gute Fahrt!
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt René Simonides