Die allgemeinen Grundsätze für eine Fortbestehensprognose nach BGH, Urteil v. 23.01.2018, Az. II ZR 246/15 sind auf Start-ups nur mit Einschränkungen übertragbar. Es kommt darauf an, dass das Start-up seine im Prognosezeitraum fälligen Verpflichtungen decken können muss, was auch mit Mitteln von Dritten möglich ist.
Hintergrund
Der BGH hat mit der Entscheidung vom 23.01.2018, Az. II ZR 246/15 Grundsätze für die Fortbestehensprognose von Unternehmen aufgestellt, wenn die Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt sind. In subjetiver Hinsicht bedarf es des Fortführungswillens und in objektiver Hinsicht ein sauberes Konzept für die weitere Lebensfähigkeit des Unternehmens. Diesem Konzept muss eine Ertrags- und Finanzplanung über den angemessenen Prognosezeitraum zugrunde liegen.
Unterstützt nun aber ein Gesellschafter die Finanzlage der Gesellschaft wird dies als Gesellschafterdarlehen behandelt und es käme darauf an, ob die Gesellschaft einen solchen Kredit auch selbst hätte beschaffen können.
Wesentliche Punkte der neuen Entscheidung
Diese Grundsätze wurden für Start-ups erheblich aufgeweicht. Im Verfahren ging es um eine Haftung der Geschäftsführung für solche Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder Festellung der Überschuldung geleistet wurden. Diese hatte der Insolvenzverwalter von der Geschäftsführung gefordert.
Der Anspruch gegenüber der Geschäftsführung besteht bei fehlender positiver Forbestehensprognose.
Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss v. 20.07.2021, Az. 12 W 7/21 war die vorzeitige Überschuldung unstreitig, sodass es maßgeblich auf die Prognose ankam. Die Geschäftsführung musste darlegen, warum aus ihrer Sicht gleichwohl eine Fortführung gerechtfertigt sei. Als ausreichend hat das Gericht angesehen, dass der Investor früher bereits erhebliche Zahlungen geleistet und auch zugesagt hatte, den Bedarf der Gesellschaft zu decken, solange deren Planungen realistisch erschienen.
Begründet wurde die Position damit, dass es in der Natur der Sach liege, dass Start-ups zunächst Schulden machen und von Darlehensgebern abhängig sind. Zudem reiche der Wahrscheinlichkeitsgrad von über 50% für die positive Prognose, sodass Ansprüche gegenüber Finanzierern und Investoren auch nicht unbedingt einklagbar sein müssten. Dies würde dann eine Wahrscheinlichkeit von 100% begründen.
Ihr Ansprechpartner:
Rechtsanwalt Kai-Uwe Recker
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht