1.
In einer neueren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 13.10.2022 hatte sich dieser mit der Frage zu beschäftigen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Handelsvertreterrichtlinie 86/653 dahin auszulegen ist, dass eine einem Hauptvertreter zustehende Ausgleichszahlung, die er vom Unternehmer im Umfang der vom Untervertreter geworbenen Kundschaft erhalten hat, einen „erheblichen Vorteil“ des Hauptvertreters darstellt.
Der EuGH bejahte dies und bestätigte, dass dieser Teil der Ausgleichszahlung, den der Hauptvertreter für die vom Untervertreter geworbene Kundschaft erhält, einen „erheblichen Vorteil“ gemäß der Richtlinie darstellen kann. Denn unter den Begriff der „erheblichen Vorteile“ könnten alle Vorteile fallen, die der Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus den Anstrengungen des Handelsvertreters ziehe, einschließlich der Ausgleichsabfindung, die der Hauptvertreter von seinem eigenen Unternehmer erhalten habe. Eine andere Auslegung der gegenständlichen Bestimmung der Richtlinie könnte den Handelsvertreter schädigen und liefe dem von der Handelsvertreterrichtlinie verfolgten Ziel des Schutzes des Handelsvertreters zuwider.
Für die Praxis bedeutet dies, dass in einer Ausgleichzahlung des Unternehmers an den Hauptvertreter insoweit ein „erheblicher Vorteil“ des Hauptvertreters gem. § 89b HGB vorliegen und der echte Untervertreter gegenüber dem Hauptvertreter einen entsprechenden Handelsvertreterausgleich geltend machen kann.
2.
Weiter hat der EuGH jedoch klargestellt, dass noch zu klären sei, ob sich der Umstand, dass der Untervertreter im Anschluss selbst Vertreter des Hauptunternehmers geworden ist, auf die in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausgleichsabfindung auswirkt.
Es sei zu berücksichtigen, dass ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nur dann bestehe, wenn und soweit eine solche Zahlung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen aus Geschäften mit von ihm geworbenen Kunden oder mit Kunden, mit denen er die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, der Billigkeit entspreche.
Vor diesem Hintergrund könnte die Zahlung einer Ausgleichsabfindung an den Untervertreter als unbillig im Sinne dieser Bestimmung (gemeint ist Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653) angesehen werden, wenn dieser seine Tätigkeiten als Handelsvertreter gegenüber denselben Kunden und für dieselben Produkte im Rahmen einer unmittelbaren Beziehung zu dem Hauptunternehmer fortsetzt, und zwar anstelle des Hauptvertreters, der ihn zuvor eingestellt hatte.
Für die Praxis bedeutet dies, dass es wie üblich dem jeweilig entscheidenden Gericht obliegt zu entscheiden, in welchem Umfang in einer solchen Konstellation ggf. Billigkeitsabzüge vom Ausgleich vorzunehmen sind.
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Rechtsanwalt Tobias Eggebrecht