Unwirksame Zustellung eines Bußgeldbescheids hat Verfolgungsverjährung zur Folge

 

Jeder von uns kennt diese schicken gelben Briefumschläge, mittels derer die deutschen Behörden und Gerichte wichtige Post, wie zum Beispiel Bußgeldbescheide, förmlich zustellen. Zweck dieser förmlichen Zustellung ist es, dass die Behörde die taggenaue Zustellung des Schriftstücks nachweisen kann. Dies geschieht dadurch, dass der Postbote auf dem Briefumschlag selbst das Datum einträgt und zusätzlich eine Postzustellungsurkunde mit dem Zustelldatum ausfüllt und diese an die Behörde oder das Gericht zurückschickt.

Was passiert aber, wenn der Postbote zwar die Postzustellungsurkunde korrekt ausfüllt und an die Behörde zurückschickt, er aber vergisst das Datum der Zustellung auf dem Briefumschlag zu vermerken?

Nach neuerer Rechtsprechung führt dies in einem bestimmten Fall zur Unwirksamkeit der Zustellung des Bußgeldbescheides und damit zum Eintritt der Verfolgungsverjährung, so dass der Bußgeldbescheid unwirksam wird.

So hat in einem von mir vertretenen Fall nun das AG Dachau entschieden und wie folgt begründet:

Die Verjährungsfrist im Bußgeldverfahren beträgt gem. § 26 Abs. 3 S. 1 StVG zunächst 3 Monate, ab dem Zeitpunkt, in dem ein Bußgeldbescheid ergangen ist, 6 Monate. Die Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate wird mit dem Erlass des Bußgeldbescheides wirksam, wenn dieser innerhalb von zwei Wochen zugestellt wird. Ansonsten kommt es für die Unterbrechungswirkung auf den Zustellungszeitpunkt an (vgl. BGH NJW 2000, 820; OLG Bamberg NZV 2006, 314).

Die Tat ereignete sich am 13.04.2024, eine erste Verjährungsunterbrechung fand durch die Anordnung der Anhörung am 19.06.2024 statt, § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG.

Eine Zustellung des Bußgeldbescheides innerhalb von zwei Wochen ist nicht nachweisbar.

Laut Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid am 23.07.2024 in den Briefkasten des Betroffenen eingelegt. Ausweislich des vom Verteidiger übermittelten Umschlags der Zustellung wurde das Zustelldatum dort nicht vermerkt, was einen Verstoß gegen die Zustellvorschrift der § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 2 S. 1 BayVwZVG, § 180 S. 3 ZPO darstellt und zur Unwirksamkeit der Zustellung führt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 15.3.2023 – VIII ZR 99/22 -).

Wann dem Betroffenen der Bußgeldbescheid tatsächlich zugegangen ist, so dass er gem. § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 9 BayVwZVG als zugestellt gilt, lässt sich nicht klären.

Streitig ist, ob es für den tatsächlichen Zugang genügt, dass das Dokument derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter gewöhnlichen Umständen Gelegenheit zur Kenntnisnahme hat, oder ob der Adressat das Dokument tatsächlich „in den Händen halten“ muss (vgl. hierzu MüKo ZPO, 7. Aufl. 2025, § 189 Rn. 13). Letztgenannte Auffassung ist zu bevorzugen, da andernfalls automatisch trotz Verletzung der Zustellvorschrift immer zeitgleich eine Heilung eintreten würde, da mit dem (zeitlich durch Postzustellungsurkunde dokumentierten) Einlegen in den Briefkasten das Dokument immer so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen Gelegenheit zur Kenntnisnahme hat.

Vorliegend hat der Betroffene unwiderlegbar vorgetragen, zum Zeitpunkt des Einlegens in den Briefkasten abwesend gewesen zu sein. Seine Ehefrau, die in München arbeite, habe den Bußgeldbescheid im Original bei der Kanzlei des Verteidigers abgeliefert, bevor der Betroffene den Bescheid selbst sehen konnte.

Eine Zustellung des Bußgeldbescheides innerhalb von 3 Monaten nach Anordnung der Anhörung ist somit nicht nachweisbar. Nach der Anordnung der Anhörung vergingen mehr als drei Monate, bis die Akten am 07.10.2024 bei Gericht eingingen, also die nächste Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 OWiG stattfinden hätte können. Somit ist 3 Monate nach Anordnung der Anhörung nicht ausschließbar Verjährung eingetreten.

Die Entscheidung deckt sich mit der Rechtsprechung anderer auch Obergerichte. Fehlt am Briefumschlag der Eintrag für das Zugangsdatum, kommt es für eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids, mit der dann auch die Hemmung der Verfolgungsverjährung einhergeht, darauf an, ob der Betroffene persönlich das sich in dem Briefumschlag befindliche Schreiben „in den Händen hält“.

Ist dies der Fall, da er den Brief zum Beispiel persönlich aufmacht, tritt durch die tatsächliche Kenntnisnahme eine Heilung des Verstoßes gegen die Zustellvorschrift ein, der Bußgeldbescheid gilt als zugestellt, die Verjährungsfrist ist gehemmt (§ 51 Abs. 1 OWiG, Art. 9 BayVwZVG).

Ist dies nicht der Fall, weil zum Beispiel eine im Haushalt lebende dritte Person den Briefumschlag öffnet und dem Verteidiger weiterschickt, hat der Betroffene das Schreiben nicht „in den Händen gehalten“ und tritt keine Heilung ein, so dass es bei der unwirksamen Zustellung des Bußgeldbescheides verbleibt. Die Verfolgungsverjährung tritt ein, das Verfahren wird wegen eines Prozesshindernisses eingestellt.

Kontaktieren Sie daher immer, schon bevor Sie ein solches behördliches Schreiben öffnen, Ihren Rechtsanwalt und lassen sich bezüglich der weiteren Vorgehensweise beraten.